Er hörte auf, an Gott zu glauben, als sein erstes Kind mit nur neun Monaten starb. Gut zwanzig Jahre ist das her. Und das sei der Anfang gewesen: für die Drogen, die Körper, die er verletzte, und für „verfassungsschutzige Sachen“, wie der Mann es nennt, dessen Arme mit Tätowierungen übersät sind. Einmal habe er den rechten Arm zum Hitlergruß gehoben und dafür – wohl nicht allein dafür – 18 Monate kassiert. Jetzt ist Maurice L. (Name geändert) wieder „eingefahren“, wie er es nennt. Knapp die Hälfte seines Lebens hat der 40-Jährige im Knast verbracht.
Er befindet er sich in einem Raum der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf, der hier für die evangelische Seelsorge reserviert ist – ein Ort der Verschwiegenheit, der Hilfe, ein Schutzwall hinter Mauern, auch für einen Mann, der so stählern sein wollte. Um den Hals trägt er ein wuchtiges Kreuz, das zu entschieden wirkt für seinen „Teils-Teils-Glauben“, wie er seine zweifelnde Annäherung an Gott nennt. Das Kreuz ist für ihn ein Zeichen, dass er es noch einmal versuchen möchte mit dem geradlinigen Pfad des Lebens, ohne Abbiegung nach rechts.
Jeden Sonntag besucht Maurice L. den evangelischen Gottesdienst in der Gefängniskirche. Im Gefängnis hat er erfahren, dass es regelmäßig Familiengottesdienste gibt, an denen jeweils bis zu sechs Inhaftierte mit einer begrenzten Anzahl Angehöriger teilnehmen können. Die Nachfrage bei den rund 850 Inhaftierten ist groß, die Teilnehmerzahl wegen des Sicherheitsrisikos seitens der Gefängnisleitung aber begrenzt worden.
Drei Stunden verbringen Inhaftierte, Angehörige und Seelsorgerin bei den Familiengottesdiensten jedes Mal zusammen. „Wir haben neben dem theologischen Anliegen auch ein soziales“, sagt Pfarrerin und Gefängnisseelsorgerin Brigitte Keuer. „Während der Gottesdienste und danach haben Familien die Möglichkeit, ungestört Zeit miteinander verbringen.“ Beziehungen, die abzubrechen drohen, würden so intensiviert.
Die Atmosphäre rund um die Gottesdienste sei ganz anders und nicht so kühl wie sonst im Gefängnisalltag, meint Maurice L. Seine drei noch lebenden Kinder waren zwar noch nie zu Besuch, dafür aber seine Lebensgefährtin, die ihm seit mehr als zwei Jahren die Treue hält. Die Gespräche mit ihr und den Seelsorgenden hätten ihm im Laufe der Jahre geholfen, ist Maurice L. überzeugt. „Die Hoffnung am Guten sieht man wieder“, sagt er. „Dass Hopfen und Malz noch nicht verloren sind.“ In drei Wochen ist er wieder auf freiem Fuß – und sieht einem Neustart erwartungsvoll entgegen.